Warum die LVZ nicht alle Inhalte kostenlos anbieten kann – und will

„LVZ ernsthaft, dafür wollt ihr jetzt Geld haben?“: So oder so ähnlich tauchen immer wieder Kommentare in den sozialen Netzwerken auf, wenn wir neue Artikel veröffentlichen. „Ja klar“, möchte man dann jedes Mal antworten. Denn in unseren Inhalten steckt viel journalistische Arbeit – von Kolleginnen und Kollegen, die nicht umsonst arbeiten können.

Dieses Selbstbewusstsein hat Journalisten und Verlagen jahrelang gefehlt und war vor allem der Kostenlos-Mentalität im Internet geschuldet – das hat sich zum Glück geändert. Das „Plus“ hat sich in vielen Medien als Standard etabliert, rein kostenfreie Angebote gibt es kaum noch. Wer Qualitätsjournalismus haben will, der muss sich das auch etwas kosten lassen. Dieser Satz lässt sich aber genauso gut umdrehen: Wer kassieren will, der muss auch liefern.
Und damit sind wir mittendrin in der Diskussion: Dürfen Zeitungstitel ihre digitalen Inhalte hinter die Bezahlschranke stellen? Nein, sagen die einen. Informationen seien ein öffentliches Gut und müssen für jeden zugänglich sein. Kostenloser Journalismus müsse als Dienst an der Demokratie gesehen werden.

Doch einmal ehrlich, wie soll das funktionieren? Wer sollen diese Reporterinnen und Reporter, Redakteurinnen und Redakteure sein, die komplexe Sachverhalte aufspüren, bewerten und in verständlicher Sprache erklären? Wer soll an sieben Tagen in der Woche für die Nutzer unterwegs sein und unabhängig berichten? Das alles hat seinen Preis. Und wer soll dafür bezahlen, wenn nicht die Nutzerinnen und Nutzer als Endkunden?

Nehmen wir ein Beispiel: Sachsens ehemaliger Innenminister Roland Wöller (CDU) stand vor seiner Ablösung monatelang in der Kritik. Verfehlungen in einer Elitetruppe des Landeskriminalamtes, eine unsichere Hand bei der Personalpolitik im eigenen Haus und gestohlene Munition durch Polizisten. Immer neue Missstände deckten Journalisten auf. Ganz dicht dran waren stets die beiden Landeskorrespondenten der LVZ. Mehrere Male gaben sie mit exklusiven Artikeln den Schritt vor und wurden so auch von anderen Medien zitiert. Für ihre Texte mussten sie regelmäßig nach Dresden fahren, bis in die Nacht telefonieren und sich mit Informanten zu Hintergrundgesprächen treffen, auch am Wochenende. Anschließend galt es alle Informationen zu prüfen und zu bewerten. Dass sie mit ihren Einschätzungen richtig lagen, zeigt am Ende die Entlassung des Ministers. Die Wächterfunktion der Presse hat also funktioniert, die Demokratie wird so gestärkt.

Für solche Artikel bedarf es gut ausgebildeter Fachleute. Sie haben zumeist ein Studium hinter sich, anschließend volontiert – und jahrelange Berufserfahrung. Sie sind bestens ausgebildete Redakteure und Spezialisten auf ihrem Gebiet. Dieser fachliche Hintergrund erlaubt es ihnen, Sachverhalte sicher und zuverlässig zu hinterfragen. Auf dem Markt gibt es diese Fachleute nicht zum Nulltarif. Gebühren, wie sie der öffentlich-rechtliche Rundfunk erhält, bekommen die Verlage nicht. Anzeigen sind nur eine Finanzierungssäule.

Klar ist aber auch, Redakteure müssen sich jeden Tag aufs Neue beweisen. Artikel werden für die Nutzer geschrieben und nicht für den Autoren selbst oder den Applaus von Kollegen. Das heißt nicht, jemandem nach dem Munde zu reden. Es bedeutet aber sehr wohl, sich ständig zu prüfen. Fasse ich das richtige Thema an? Ist die Geschichte ausrecherchiert? Habe ich mich verständlich ausgedrückt? Diese Grundsätze galten schon immer. Im Digitalen werden Missgriffe aber deutlicher als in der alten Printzeit. Die Nutzer interagieren viel schneller und häufiger mit der Redaktion, stimmen einfach per Klick oder auch Nicht-Klick auf einen Artikel ab. Auch das steigert am Ende die Qualität.

Die LVZ hat die Aufgaben der Zeit erkannt. Redakteure werden für die digitalen Anforderungen regelmäßig geschult. Zeiten, in denen Texte nach Aufmachern und Seitenspalten eingeordnet wurden, gehören längst der Vergangenheit an. Heute wird in Themen, Ausspielkanälen und Veröffentlichungszeiten gedacht. Eine aufwendige Reportage-Offensive für das Wochenende oder Inhaltskomplexe wie zum Thema „Bauen und Wohnen“ in Leipzig kommen bei den Nutzern an. Das zeigen die Abrufzahlen und auch die neu abgeschlossenen Abonnements. Die schnelle Nachricht an allen Tagen bleibt selbstverständlich. Diese Aufzählung ließe sich ausgiebig fortsetzen.

Wenn die LVZ-Redaktion also weiter ihren eigenen Qualitätsmaßstäben gerecht wird, dann darf sie auch sagen: „Ja, dafür wollen wir ernsthaft Geld.“

Ihr

Matthias Roth

Chef vom Dienst